Der 2-achsige AstroTrac mit vollem Guiding und Dithering

Angefangen hat alles mit gewissen Gepäckproblemen vor einer Namibia-Reise. Weil ich mit den erlaubten Koffergewichten nicht hinkam, habe ich angefangen mir zu überlegen, wo man überall Gewicht einsparen kann.
Unter anderem wollte (und habe) ich in Namibia auch Timelapse-Aufnahmen mit stehender Kamera machen und dafür sollte mein Bilora-Stativ und der massive Kugelkopf von Kuhlmann mit. Als ich den Kugelkopf mit seinem nicht unerheblichen Gewicht so in der Hand hielt, kam mir die Idee für eine wesentlich leichtere und trotzdem sehr stabile Ausführung eines Kugelkopfes. Mithilfe meines 3D-Druckers war das Teil auch schnell hergestellt und hat meine Erwartungen durchaus übertroffen:



Wer schonmal Teile aus dem 3D-Drucker in der Hand hatte, kann sich vorstellen, dass das Teil geradezu überhaupt nichts wiegt. Trotzdem ist er überraschend stabil - weil im Gegensatz zum klassischen Kugelkopf der Drehpunkt nicht in der Mitte der Klemmung liegt und deshalb Kraft- und Lastarm gleich lang sind.

Als ich dann über eine redundante Montierung für Namibia nachdachte, fiel mir mein AstroTrac wieder ein. Es ist die neue Version mit Autoguider-Port, was ich bisher immer für ein nutzloses Gimmick gehalten habe. Die Gewindespindel des AstroTrac läuft so sauber, dass es zum Ausgleich eines Gleichlauffehlers kein Guiding braucht. Zum Ausgleich sämtlicher anderen Störeinflüsse bräuchte man aber auch ein Guiding in Deklination...
Und schon brüllte mich der 3D-Drucker wieder an: "Ja dann mach's dir doch gefälligst - das Guiding in Deklination!". Ja - schon gut. Ich mach ja schon;-)

Wenn ein Tangentialarm für Rektaszension gut genug ist, reicht er für die Deklination erst recht - also stand die Bauform schnell fest. Im Grunde genommen habe ich einen zweiten, kleineren AstroTrac auf den ersten gesetzt und meinen Kugel- (bzw. Doppelring-) Kopf gleich integriert. Dazu noch eine Gewindestange und ein alter Getriebe-Stepper von meiner ersten EQ6. Voilá:


(Im Hintergrund ist nicht meine Küche, sondern die der Messier-Appartments auf Tivoli/Namibia)

Für die Steuerung des Schrittmotors habe ich mir bei Conrad eine 1-Kanal-Steuerung von Vellemann als Bausatz bestellt, die ich sogar unfallfrei zusammengebrutzelt habe.

Das ganze wird über einen MGEN gesteuert - funktioniert aber auch mit anderen Guidern. Wichtig ist, dass ein ST-4-Port vorhanden ist. Das ST-4-Kabel vom Guider wird einfach gesplittet, so das die RA-Signale direkt zum AstroTrac und die DE-Signale zu meiner Schrittmotor-Steuerung gehen.

Getestet habe ich die ganze Mimik zuhause vor'm Fernseher, mit meinem SWMT-Progrämmchen (http://www.watchgear.de/SWMT/SWMT.html) und war eigentlich überrascht, dass alles auf Anhieb funktionierte. Zwar stimmt die Guiding-Geschwindigkeit in beiden Achsen überhaupt nicht überein - das ist dem MGEN aber herzlich egal und er guidet brav in beiden Achsen...

Also bin ich mutig geworden und bin mit dem Teil nach Namibia geflogen. Ihr könnt mir glauben, dass ich mir auf Tivoli so manchen mitleidigen Blick von den Nutzern diverser ASA- und AstroPhysics-Sternwarten eingefangen habe;-) Who cares...

Leider ist aber nicht alles Gold, was glänzt - und so bin ich natürlich doch noch über ein Problem gestolpert, dass ich zuhause vor dem Fernseher nicht hatte...

Wenn das Guiding vernünftig funktionieren soll, müssen Kamera und Leitrohr wirklich rechtwinklig zur Deklinations-Achse stehen. Das wird einem leicht klar, wenn man sich vorstellt, dass sie parallel zu DE stehen. Dann gibt es nämlich überhaupt kein Guiding in DE, sondern nur eine "gesteuerte Bildfelddrehung";-)
Sollen die Optiken aber rechtwinklig zu DE stehen und will man jeden Punkt am Himmel erreichen, arbeitet man mit der ganzen Geschichte nicht mehr wie mit einem AstroTrac mit Kugelkopf, sondern halt wie mit einer "richtigen deutschen Montierung" - und die braucht nunmal ein Gegengewicht. Ansonsten wirkt das Übergewicht der Optiken und Kameras auf einer Seite nämlich so, dass die Verschraubung mit dem AstroTrac gelöst wird und die ganze Mimik im Dreck landet. Hängt die Last auf der anderen Seite, schafft der AstroTrac es nicht mehr...

Also habe ich eine Notlösung mit einem stabilen Ast und ein paar Bierflaschen gebaut. Davon habe ich aber zum Glück nur eine schwer zu erkennende Nachtaufnahme:



Wie dem auch sei - mit der Gegengewichtsstange war alles kein Problem mehr und der 2-Achsen-AstroTrac ließ sich guiden wie ein Glöckchen;-)

Hier eine 11x5min Aufnahme der Eta Carinae Region mit 200mm Brennweite:


Zur vollen Auflösung: Klick 

Wenn man die volle Auflösung anschaut, sieht man, dass die Sterne in der Mitte punktförmig sind, während am Rand eine leichte Bildfelddrehung sichtbar ist. Und das ist genau der Beweis für ein sauberes Guiding - allerdings bei schlechter Polausrichtung. Und damit kommen wir zu einem ganz wichtigen Punkt:

Was soll das eigentlich alles?

5min mit 200mm ist für einen echten "AstroTracy" doch überhaupt keine Aufgabe - auch ohne den ganzen Klumpatsch in Deklination!

Stimmt - am Nordhimmel habe ich mit einem gut justierten Polsucher damit auch keine Probleme.

Am Südhimmel habe ich aber keinen Polaris und diese Mini-Sternchen die man dort stattdessen verwendet - sorry, ich kann sie im Polsucher einfach nicht erkennen.

Der Gag an der ganzen Sache ist: Die Poljustage war einfach so hingepeilt: Die Polhöhe über den Winkelmesser meines Smartphones und die Südrichtung einfach in die Verlängerung des "Kreuz des Südens" gepeilt. Deshalb auch die Bildfelddrehung. Und es kommt noch besser: Wenn man das einfach so hingestellt hat und das Guiding einmal läuft, kann man anhand der Guiding-LEDs am MGEN ganz einfach eine recht genaue Poljustage machen: Blinkt der MGEN ständig in RA+, verstellt man den Azimut in Gegenrichtung, bis die Guiding-Impulse Rechts/Links ausgeglichen sind. Gleiches gilt für die Polhöhe. Damit bekommt man innerhalb weniger Minuten eine gute Poljustage am Südhimmel hin, mit der man sich das Guiding gleich wieder sparen kann;-)
Es bleibt aber der Vorteil des Dithering, der für mich - gerade wenn die Nächte mit der DSLR mal so richtig warm werden - ebenfalls sehr wichtig ist...


Nun - ich habe jetzt einen funktionierenden Prototypen, der aber noch gravierende Schwachstellen hat. So würde in der nächsten Version z.B. mein schöner Doppelringkopf komplett entfallen und stattdessen direkt eine justier- und klemmbare Gegengewichtsstange mit Kamera-Halterung an einer Seite (ähnlich dem AstroTrac-DE-Set) zum Einsatz kommen. Auch müsste man einen Ersatz für den alten EQ6-Motor mit einer angepassten Untersetzung finden, den man auch in beliebigen Mengen nachkaufen kann. Desweiteren ist die Schrittmotorsteuerung viel zu ut für die Anwendung und man könnte auch hier eine einfachere und kleinere Lösung finden.

Für mich reicht das Teil aber völlig aus, wie es ist. Falls noch jemand anderes Interesse hat, kann man sich überlegen, welchen Aufwand man noch hineinstecken will...